Leo Thun bittet den Slawisten Franz Miklosich, einen Entwurf für das neue Statut der Wiener Universität durchzusehen. Der Kaiser wünscht zwar die Wiedereinführung der Studiendirektoren, Thun möchte jedoch deren Rolle beschränken, um die Selbstverwaltung der Universität durch die Professoren aufrecht zu erhalten.
den 19. Mai 1857
Werther Herr Professor!
Auf Grundlage von Bestimmungen, die mir bereits durch Allerhöchste Entschließung
vorgeschrieben worden sind, habe ich den anliegenden neuen Entwurf eines
Statutes für die Wiener Universität
ausarbeiten lassen. Ich habe mich bemüht, darin die Stellung der
Studiendirektoren, deren Einsetzung Seine Majestät definitiv bereits angeordnet
haben, gegenüber den Professoren und Dekanen so zu regeln, daß deren
selbstthätiges Wirken dadurch nicht gefährdet werde. Es wäre mir sehr erwünscht,
vorläufig noch Ihre Meinung zu hören, ob es mir gelungen ist. Ebenso Ihre
Ansicht über die Zuläßigkeit der Bestimmungen über die Doktoren-Collegien, und
was Sie sonst etwa zu bemerken finden.
Ich bitte das Exemplar mit beliebigen
Noten zu versehen, und mir bei der Besprechung zurückzustellen. – Es versteht
sich, daß die Angelegenheit vor der Hand vor jeder Kenntnißnahme anderer
Professoren bewahrt werden muß.
Hochachtungsvoll
Thun