Statthaltereirat Rudolf Kink bedauert den Rücktritt Thuns vom Amt des Unterrichtsministers. Kink bedankt sich bei Thun, dass er mehrere Jahre unter ihm dienen durfte. Er betont, dass er diese Jahre sehr genossen hat. Er hofft, dass zumindest das von Thun eingeführte Studiensystem bestehen bleiben wird. Kink befürchtet aber, dass die Gegner der Reform nun siegen könnten. Dabei wäre aus der Sicht von Kink gerade in so schwierigen Zeiten eine Orientierung an der deutschen Wissenschaft notwendig. Aus seiner Sicht können Bildung und Wissenschaft die Einheit der Monarchie erhalten.
Das Schreiben befindet sich im Nachlass gemeinsam mit 39 weiteren Dankadressen unter der Signatur A3 XXI D623a.
Eure Exzellenz!
Oftmals schon setzte ich die Feder zu diesem Briefe wieder ab, weil es mir
                           scheinen wollte, daß es sich in dieser Zeit und bei meiner untergeordneten
                           Stellung nicht gezieme, Eure Exzellenz mit meinen Worten des Abschiedes zu
                           behelligen. Allein ich kann nicht anders. Jener Zeiten gedenkend, wo Eure
                           Exzellenz gütig in Ihrer Nähe mich hielten, kann ich mir es nicht versagen, in
                           Gedanken Ihre Hand zu fassen und es auszusprechen, wie tief ich den Verlust
                           fühle und wie schwer ich es zu fassen vermag, daß nicht mehr Ihr Gedanke und
                           Willen der Leitstern meines Wirkens sein soll. Zwar Eure Exzellenz können mit
                           stolzem Sinn auf diese eilf Jahre zurückblicken; denn Sie allein haben der
                           wahren Freiheit eine Stätte vorbereitet, indem Sie die Grundsätze für die
                           Erziehung einer Generation in dem Sinne leiteten und ausführten, auf daß sie
                           Charakterehre und Überzeugungen dulde, denn darin besteht ja die Freiheit. Sie
                           haben zuerst in Österreich es proklamirt,
                           daß die Servilität und Gemeinheit der Gesinnung bekämpft werde durch den Ernst
                           der Wissenschaft und nicht durch das Spiel mit dem Wissen. So werden denn noch
                           viele der kommenden Jahre zehren an dem Kapitale, das Sie errungen. Und es wird
                           nöthig sein, daß ein solcher Vorrath da sei. Denn was wird jetzt mit den Studien
                           geschehen in Österreich? Wird man sich
                           nicht vielleicht jetzt, – wo es doppelt noth thut, die Thore nach Deutschland für die nichtungarischen Länder offen zu erhalten, um
                           wenigstens indirekt und moralisch durch die Macht der Bildung und Wissenschaft
                           ein verlorenes Gebiet nach und nach zurückzuerobern – wird man sich nicht etwa
                           beeilen, ein sogenanntes spezifisch österreichisches Studiensystem auszuhecken
                           und das Gewonnene wieder in Frage zu stellen, jetzt, da Ihre starke Hand fehlt,
                           um es abzuwehren?
Doch davon wollte ich nicht sprechen. Mein Wille war ja
                           nur der, mir die Erlaubnis zu erbitten, in diesen Zeilen von Eurer Exzellenz
                           Abschied nehmen zu dürfen. Diese Zeilen verlangen keine Antwort. Eure Exzellenz
                           werden es vielleicht thöricht finden, daß ich meinen Schmerz eigens in einem
                           Briefe niederlege und wenn einst noch Jahre vergangen sein werden, werden Sie
                           sich des Schreibers dieser Zeilen vielleicht gar nicht mehr erinnern; allein
                           dennoch werde ich Ihnen danken, wenn Sie es jetzt gütig aufnehmen, daß ich mich
                           noch einmal Ihnen nahte. Was immer für Zeiten kommen und was für ein
                           Lebensabschnitt auch, ob kurz oder lang, mir beschieden sein möge, Eines bleibt
                           gewiß, daß ich nie aufhören werde, Eurer Exzellenz im tiefsten Herzen ergeben zu
                           sein und Gott zu bitten, daß Er Ihre Schritte segnen möge.
Eurer Exzellenz
gehorsamster Diener
Rudolf Kink
Triest, 23. Oktober 1860