Ignaz Deutsch an das k.k. Finanzministerium
Wien, 14. April 1859
|

Regest

Der Bankier Ignaz Deutsch unterbreitet dem Finanzministerium einen Vorschlag zur Aufnahme einer Nationalanleihe im Wert von 100 Millionen Gulden Conventionsmünze unter der Garantie und Vermittlung der österreichischen Nationalbank. Dieser Schritt würde die Finanznöte der Monarchie lindern und gleichzeitig auch im Falle eines Krieges für die notwendige Liquidität sorgen. Die Monarchie würde damit auch dem Beispiel anderer Länder folgen. Deutsch erklärt in der Folge die genauen Modalitäten seines Vorschlages sowie die Vorteile einer solchen Nationalanleihe.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

An ein Hohes k.k. Finanzministerium!

Ignaz Deutsch, k.k. Hofwechsler

unterbreitet ehrerbiethigst einen Vorschlag rücksichtlich der Aufnahme einer Anleihe im Betrage von 100 Millionen in Barvaluta unter der Garantie und Vermittlung der k.k. privilegierten Österreichischen Nationalbank, welche laut inangeführten Zahlen und Daten die Verzinsung und Capitalsanlage sowohl als den vollen Werthbetrag derselben in klingender Münze unter allen Verhältnissen und selbst während dem Ausbruche eines Krieges vollkommen sicher stellen würde.

Hohes Finanzministerium!

In dem Augenblicke, wo sich fast alle europäischen Regierungen damit ernstlich beschäftigen, um durch die Aufnahme von Staatsanlehen für alle Wechselfälle möglichst vorbereitet zu sein, muß es allerdings auffallen, wenn ein Laie der hohen österreichischen Finanzverwaltung, welche die Creditsverhältnisse und die Lage aller Börsen und Geldmärkte genau kennt, bezüglich einer Finanzoperation Vorschläge unterbreiten wollte.
Wenn dies der gehorsamst Gefertigte dennoch versuchen möchte, so geschieht es, weil sich derselbe mit ähnlichen Vorschlägen in früheren Jahren bei der hohen Finanzverwaltung sehr oft beschäftiget hat und der gehorsamst Gefertigte muß es offen gestehen, daß er nach Maßgabe seiner schwachen Ansicht nachstehende Finanzmaßnahme als die einzige bezeichnen möchte, welche unter den gegebenen Verhältnissen und selbst während dem Ausbruche eines Krieges, schnell und sicher zu realisiren, geeignet zu sein scheint.
Der gehorsamst Gefertigte wird sich so kurz als möglich auf die Darstellung der Grundidee beschränken und erlaubt sich deshalb die Aufmerksamkeit Eines hohen Finanzministeriums ehrerbiethigst zu erbitten.
Es ist eine anerkannte Thatsache, daß der Werth irgend einer Staatsschuldverschreibung überhaupt nicht nach der Verzinsung derselben bemessen wird, sondern lediglich, je nachdem dieselbe mehr oder minder gesichert zu sein scheint. In Handels- und Finanzkreisen, namentlich in Kriegszeiten, treten solche Zweifel deutlicher hervor und in Staaten, wo sich einmal das Papiergeld von der Münze losgerissen hat, erheben sich für Obligationen, die nicht in klingender Münze verzinst werden, die besonders nachtheiligen Bedenken, indem sich allerwärts Stimmen vernehmen lassen: "Was wird das Papiergeld, mit welchem solche Obligationen verzinst werden, bei einem länger dauernden Kriege gegenüber der baaren Münze für einen Werth haben?" Daß solche Zweifel und Bedenken seit einem Decennium gegen österreichische Fonds niemals gänzlich geschwunden sind, beweist, daß dieselben (worin auf allen europäischen Börsen ein starker Verkehr herrscht und die überall von allen Classen der Bevölkerung zur Capitalsanlage seit 30 und 40 Jahren verwendet werden) innerhalb 10 Jahren fortwährend um 20 a 30 % niedriger als Obligationen derselben Verzinsung von anderen Staaten auf den Markt gebracht wurden.
Ist nun diese Voraussetzung begründet, so kann es sich in diesem Augenblicke bei der Negozirung einer großen Anleihe in Oesterreich einzig und allein darum handeln, ein Object zu finden, welches geeignet wäre, die eben erwähnten Bedenken gründlich zu beseitigen, um sowohl den Rentier als den Speculanten über die Verzinsung und die Capitalsanlage für alle Eventualitäten sicher zu stellen.
Dieser Zweck scheint durch die Dazwischenkunft der k.k. privilegierten Oesterreichischen Nationalbank vollkommen erreichbar und deshalb sei es gestattet, eine Bemerkung über die Beziehungen der hohen Finanzverwaltung zur Nationalbank vorausschicken zu dürfen.
Alle Welt kennt die Opfer und die äußersten Anstrengungen der hohen Finanzverwaltung in den letzten Jahren, um es der Nationalbank möglich zu machen, ihre Baarzahlungen wieder aufnehmen zu können. Diese Aufgabe war bereits vollständig gelöst, als eine gewaltsam herbeigeführte schwere Situation der Nationalbank die Verpflichtung auferlegte, eine schnelle Verminderung ihres Baarfondes zu verhüthen. Wenn nun dieser Schritt durch die Pflicht der Selbsterhaltung unabweislich gebothen war, so hat doch die Nationalbank die moralische Verpflichtung, eine progressive Verschlechterung ihrer Noten möglichst zu verhindern, niemals außer Acht gelassen.
Diese volle Überzeugung, (verbunden mit der unzweideutigen Thatsache, daß die Interessen der hohen Finanzverwaltung mit denen der Nationalbank stets so eng verknüpft sind und so tief in einander greifen, daß die Vor- und Nachtheile der einen wie der andern von beiden Seiten gleichzeitig empfunden werden), berechtiget zu der Erwartung, daß die Oesterreichische Nationalbank in diesem critischen Moment gewiß bereit sein dürfte, der hohen Finanzverwaltung bezüglich der Aufnahme einer vortheilhaften großen Anleihe ihre Vermittlung zur Verfügung zu stellen und dies um so bereitwilliger, wenn sich durch eine solche Dazwischenkunft das beiderseitige Interesse mit großer Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt.
Ein solches Resultat scheint schnell und sicher erreichbar, wenn sich die Österreichische Nationalbank veranlaßt fände, nachstehende Finanzoperation unter ihrer Garantie und Vermittlung ungesäumt durchführen zu wollen; zu diesem Ende:
a. Würde die Österreichische Nationalbank auf Grundlage der ihr von der hohen Finanzverwaltung überlassenen Staatsgüter eine hypothecirte 5 % Anleihe im Betrage von 100 Millionen Gulden Barvaluta in und außerhalb des Kaiserreiches zur Betheiligung auflegen.
b. Die Rateneinzahlungen für diese Anleihe, welche in 10 aufeinanderfolgenden Monathen erfolgen dürften, müßten in Comptanten oder in ausländischen Wechseln geleistet werden.
c. Die Nationalbank würde hingegen die Verpflichtung übernehmen, die Verzinsung dieser Anleihe in klingender Münze zu entrichten.
d. Die Nationalbank würde sich ferner verbindlich machen, die ganze Anleihe von 100 Millionen Barvaluta innerhalb 20 Jahren mittelst einer jährlichen Verlosung von je 5 Millionen Gulden in klingender Münze zurückzuzahlen.
e. Indem die Nationalbank eine solche Verpflichtung feierlichst übernehmen möchte, würde sich dieselbe gleichzeitig verbindlich erklären, von den ihr überlassenen Staatsgütern alljährlich 5 Millionen derselben nur gegen baare Münze zu verwerthen, indem sie zu diesem Zwecke ein Object bestimmt, welches im In- und im Auslande unter allen Verhältnissen willige Käufer finden dürfte.
Wenn nun nicht sonst andere Rücksichten dieser Finanzoperation hinderlich in den Weg treten, so unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Anleihe unter solchen Bedingungen selbst in Kriegszeiten zum Course von 90 % auf allen Börsen und Geldmärkten eine eifrige und eine sehr lebhafte Theilnahme hervorrufen müßte.
Die übernommene Garantie der Österreichischen Nationalbank, welche über einen Baarfond von 105 Millionen Gulden verfügt, Zinsen und Capital innerhalb 20 Jahren in klingender Münze zurückzugeben, würde in ruhigen Zeiten an und für sich genügen, um ein günstiges Resultat mit Gewißheit erwarten zu dürfen, da sich's aber nicht läugnen läßt, daß die Nationalbank für den gegenwärtigen Stand ihres Baarfondes bei einem langwierigen Kriege keine Garantie zu biethen vermag, indem es Jedermann weiß, daß die kaiserliche Regierung, um den Staat zu erhalten, keinen Anstand nehmen darf, den Baarfond der Nationalbank zeitweilig zu benützen, so ist deshalb ein solcher Fall im Punkt c. ausdrücklich vorgesehen, indem dort auch die Wege bezeichnet sind, auf welche Weise die Nationalbank die Mittel herbeischaffen würde, um ihre übernommenen Verpflichtungen für alle Zeiten vollständig erfüllen zu können.
Die Aufnahme einer Anleihe in dieser Weise wäre unter den jetzigen Verhältnissen politisch wichtig und in finanzieller Beziehung von hoher Bedeutung. Einmal scheint es für die hohe Finanzverwaltung von besonderem Werthe, wenn sich dieselbe in diesem Augenblicke mit der Aufnahme einer Staatsanleihe gar nicht zu befaßen hätte. Wenn es die Nationalbank bei dieser Gelegenheit kundgeben würde, daß sie sich zu einer solchen Finanzoperation deshalb entschließt, um ihren Baarfond zu vermehren und sich der kritischen Ereignisse ungeachtet in die Lage zu setzen gedenkt, um die vollständige Aufnahme ihrer Baarzahlung vorzubereiten, müßte dies nothwendigerweise nicht auffallen. Was übrigens das Übereinkommen und das Verhältnis zwischen der hohen Finanzverwaltung und der Österreichischen Nationalbank rücksichtlich der Verwendung und Bedeckung dieser Anleihe von Seite des Staates betrifft, so dürfte dies wohl auf keine Hindernisse stoßen und das ganze Verhältnis könnte somit mindestens während der Aufnahme der Anleihe gänzlich geheim bleiben.
Was nun die finanziellen Vortheile einer solchen Anleihe betrifft, so dürfte dies wohl auf den ersten Blick deutlich ersichtlich werden:
Außerdem, daß der Nationalbank durch diese Operation die enorme Summe von 90 Millionen klingender Münze zufließen möchte, würde durch eine solche Anleihe ein Werth von 100 Millionen geschaffen, welcher vollkommen geeignet wäre, 100 Millionen Comptanten zu representiren und während dem bisher in ängstlich bewegten Tagen jeder Capitalist bestrebt war, in den Besitz von baarer Münze oder fremder Wechsel zu gelangen, würde sich dann mindestens der weit größere Theil derselben mit einer Obligation begnügen, welche jährlich mit 5 % verzinst wird und die unter den obenbezeichneten Bedingungen dieselbe Beruhigung für sein Capital gewährt als die unbequemen und unlukrativen Comptanten und fremden Wechsel.
Eben so entschieden müßten die Vortheile dieser Anleihe für die Österreichische Nationalbank selbst hervortreten, indem nur zwei Fälle denkbar sind: "Entweder der Friede bleibt gesichert oder nicht".
Im ersten Falle hätte die Nationalbank ihren Baarfond auf eine Höhe gebracht, wo dieselbe einerseits die Baarzahlungen unter allen Verhältnissen ungesäumt wieder aufnehmen könnte, andererseits die für diese Anleihe übernommenen Verpflichtungen ohne Opfer und Schwierigkeit erfüllen würde.
Im zweiten Falle hätte die Nationalbank bei einer rascheren Entscheidung des Kampfes mindestens die Hoffnung, daß diese Anleihe für die Bedürfnisse des Staates während dieser Zeit genügen möchte, ohne ihren dermaligen Baarfond vermindern zu müssen.
Wie sich nun der gehorsamst Gefertigte gleich Anfangs zu bemerken erlaubte, hat sich derselbe darauf beschränkt, die nöthigen Zahlen und Daten zu verzeichnen und einige Bemerkungen über die Vortheile daran zu knüpfen, welche sich durch die Realisirung einer solchen Anleihe ergeben dürften. Alle übrigen Consequenzen so wie der practische Werth dieser Finanzmaßnahme überhaupt, bleibt wie sich von selbst versteht, der weisen Einsicht Einer hohen Finanzverwaltung anheimgegeben.
Möge das hohe Finanzministerium an dem Guten, was dieser Vorschlag enthalten könnte, Gefallen finden und denselben einer gnädigen Prüfung werth finden.
Wenn auch diese Idee von keinem Fachmanne herrührt, so ist sie doch in einer schweren Zeit aus dem Herzen eines regierungstreuen Unterthanen erfloßen.

Wien, am 14. April 1859