Theodor Vernaleken an Leo Thun
Wien, 7. Dezember 1851
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Regest

Der Pädagoge Theodor Vernaleken legt Leo Thun das von ihm verfasste "Methodische Handbuch" zur Prüfung vor. Das Buch soll Volksschullehrern als methodische Grundlage für den Unterricht dienen. Er hat das Buch verfasst, weil das bisher verwendete Methodenbuch stark veraltet war und den neuen Anforderungen nicht mehr entsprach. Vernaleken betont seine langjährige Erfahrung als Lehrer, wodurch das Buch stark von eigenen praktischen Erfahrungen geprägt sei. Sollte Thun Änderungen an dem Buch wünschen, so wäre Vernaleken gerne bereit, diese vorzunehmen. Sollte der Minister das Methodenbuch im staatlichen Schulbücherverlag verlegen wollen, so würde Vernaleken es für diesen Zweck gerne zur Verfügung stellen. Andernfalls will Vernaleken es einem anderen Verlag zur Herausgabe übergeben.

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Schlagworte

Edierter Text

Exzellenz!

Die neuen Elementarbücher sind nun in den Händen der Schüler und Lehrer, und es liegt in dem Wunsche Euer Exzellenz, daß sie auf die fruchtbringendste Weise gebraucht werden.
Das „Sprach- und Lesebuch“ fasset in sich nicht bloß ein Lesebuch, sondern auch das Sprachlehrliche. Nur dadurch konnte dem Unterrichte im Sprechen, Lesen, Schreiben etc. in Verbindung mit den nöthigen Sachkenntnissen eine neue Grundlage gegeben werden. Welche Stellung hat also dieser Unterricht in der Volksschule, und wie ist er vom Lehrer zu handhaben? Diese und andere Fragen haben sich die angestellten Schullehrer klar zu machen, und der Präparandenunterricht hat die Zöglinge für einen nutzbringenden Sprachunterricht vorzubereiten. Das bisherige „Methodenbuch“, ohnedieß schon veraltet, passt aber nicht mehr zu den neuen Lehrmitteln. Ich habe mich daher beeilt, dem vielfach ausgesprochenen Bedürfnisse entgegenzukommen und die andere mir gestellte Aufgabe nach Kräften zu lösen. Es schließt sich aber an den Muttersprachunterricht, eben weil er alle Seelenthätigkeiten des Kindes in Anspruch nimmt, alles dasjenige am natürlichsten an, was man Didaktik, Methodik etc. nennt. In dieser Hinsicht haben mir einerseits die Extravaganzen der deutschen Volksschule warnend vorgeschwebt, andererseits habe ich die bessern Bestrebungen im Gebiete des elementaren Sprachunterrichts in den letzten 20 Jahren berücksichtigt und die ganze Volksschuldidaktik in einen kleinen Rahmen zusammengedrängt.
Somit möchte ich dem „Methodischen Handbuche“1, welches ich vorzulegen die Ehre habe, folgende Bestimmung anweisen:
1. Es ist vollständige Gebrauchsanleitung zum „Sprach- und Lesebuche“, mit Beifügung alles dessen, was aus der Sprachlehre dem Volksschullehrer für diese Stufe zu wissen nöthig ist.
2. Es enthält die methodische Grundlage für den elementaren Volksschulunterricht überhaupt.
Für beide Zwecke ist es
3. bloßes Hilfsbuch für die Präparandenschulen.
Ein Methodenbuch erfüllt nur dann seinen Zweck, wenn es sich unmittelbar den Lehrmitteln anschließt. Es lehrt den Gebrauch der Lehrmittel. Darum bildet ein „methodisches Handbuch“ in seinen 4 Abtheilungen für: Religion, Sprache, Rechnen, Gesang den eigentlichen Lehrgegenstand der Präparandenschulen. Dieser Fach- oder Berufsunterricht geht dem praktischen Schulhalten parallel.
Beiliegendes Buch bildet sonach die I. Abtheilung der nothwendig gewordenen Neubearbeitung des „Methodenbuches“, dessen erste Hälfte (S. 1–190) dadurch ersetzt wird.
Das Buch ist nur als Manuscript in etwa 50 Exemplaren abgezogen, und ich stelle es Euer Exzellenz zur Verfügung. Im Falle einzelne Änderungen gewünscht werden, so bin ich gern bereit, dieselben im Interesse unserer Volksschule vorzunehmen.
Sollten Euer Exzellenz das „methodische Handbuch“ dem Schulbücherverschleiße als Staatseigenthum – gegen ein beliebiges Honorar für jede Auflage – einreihen, so stelle ich es für diesen Zweck zur Verfügung; wenn nicht, so gedenke ich es einem Verleger zu übergeben, der alsdann wegen des Verkaufspreises sich mit dem hohen Ministerium ins Einvernehmen zu setzen hätte.
Schließlich bitte ich Euer Exzellenz angelegentlich, das Büchlein selbst einer näheren Einsicht zu würdigen.
Zu jeder mündlichen Auseinandersetzung erbötig verharre ich,

Euer Exzellenz

unterhäniger Diener
Theodor Vernaleken

Wien, den 7. Christmonat [Dezember] 1851